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Die wilden Genfer

Die Romands sind die neuen Stars der Schweizer Comic-Szene

Von Hans Keller, 11. April 1999
SonntagsZeitung, Kultur

Comic-Zeicher aus der Romandie geben den inhaltlichen und formalen Neuerungen der Deutschschweizer neuen Drive. Am Luzerner Comix-Festival sind sie prominent vertreten.

Im hohlen Bauch des Pappmachéwesens flimmert ein Video. Nähert man sich einer anderen Gestalt, heult eine Alarmsirene auf, aus der Mauer ragt eine Figur, die alles nachplappert, was man ihr an den Kopf wirft.
Ein Irrenhaus. Interaktiv und eigens für das Comix-Festival in Luzern von den Genfer Comic-Zeichnern Nicolas Robel und Christophe Lambert zum Festivalthema «Wahnsinnig!» installiert. Spektakuläre Genfer Präsenz auf dem wichtigsten Deutschschweizer Comic-Event.
Was sich schon vor ein paar Jahren abzuzeichnen begann, manifestiert sich im 200. Geburtsjahr des Schöpfers der Bildergeschichten und Comic-Pioniers, Rodolphe Töpffer (1799-1846), klar und deutlich: Seine Heimatstadt Genf hat sich zur Schweizer Comic-Hauptstadt gemausert. Sie hat zurzeit mehr Punch als Zürich und vor allem jede Menge junger Talente.
Ein Augenschein vor Ort. Die Erben Töpffers drängeln sich um einen Bistrotisch. Nicolas Robel, Zeichner und Kopf des Comic-Kleinverlages B.ü.L.B., streut eine Fülle von Untergrundprodukten zwischen die Gläser und Tassen. Leporellos im Briefmarken- oder Streichholzschachtelformat, etwas grössere Booklets mit Art naiv diverser Zeichner.
Man sieht es sofort: Diese jungen Romands haben die Zwangsjacke der pingelig-realistischen, frankofonen Ligne-Claire-Tradition abgeworfen. Denn im Gegensatz zur Deutschschweiz gibt es in der Romandie seit den frühen Siebzigerjahren ein reges Comic-Schaffen, das sich allerdings mit Exponenten wie den realistisch arbeitenden Derib («Yakari») oder Cosey ganz an französischen BandeDessinée- Konventionen orientierte. Diese blieben lange Zeit bestimmend, obschon sich Zeichner wie der 52-jährige Tausendsassa Gérald Poussin mit seinem grafisch verrückten Humorstil durchzusetzen vermochten und als Vorreiter der heutigen «wildem» Genfer Szene gelten dürfen.
Geschielt haben die von ihrer eigenen Tradition angewiderten Rebellen vor allem in die Deutschschweiz. Noch vor drei Jahren schrieb der für die dortige Szene wichtige Genfer Galerist Roland Margueron im Buch «Die neue Ära des Schweizer Comics»: «Tatsächlich konzentriert sich heute in der beherrschenden Zürcher Szene ein grosser Teil des kreativen Potenzials. Im Gegensatz zur Situation in der Westschweiz ermöglicht Zürichs Stellung als Metropole den Fortbestand eines Kommunikationsträgers wie etwa der Zeitschrift ‹Strapazin› als Quelle der Förderung und Legitimationsstruktur für das zeitgenössische Comic-Schaffen auf der Suche nach einem Echo.»

Trotz spartanischem Schwarzweiss eine grosse Lust am Fabulieren

Dabei war die Deutschschweizer Comic- Szene noch in den frühen Achtzigerjahren beinahe nicht existent. Sie musste sich selbst erfinden und erschaffen, denn ausser auf «Globi» und noch ein paar andere kümmerliche Figuren konnte man sich kaum auf etwas abstützen, was auch nur entfernt einer Tradition entsprach. Das bedeutete: Keine traditionelle Comic-Richtlinien für Talente wie Andrea Caprez, Peter Bäder, Thomas Ott oder Ursula Ileni Fürst. Sie konnten sich deshalb stilistisch und inhaltlich austoben. Ihre Themen waren der brutalisierte Alltag (nicht zuletzt jener der Zürcher Bewegung), die daraus resultierenden Alpträume, Neurotisches und Klaustrophobes. Man sah schwarze Münder, aus denen Tusche floss, verzerrte Züge, kubistische Hosen, Wulstiges und Wildes. Das alles wurde gepinselt, gekritzelt oder mit der Feder hingehauen.
Solches hat man auch in der Romandie gesehen. Nur: Dort entwickelten sich erstaunlich schnell eigenständige Gehversuche in neue Gefilde. Formal beschränkt man sich dabei oft spartanisch auf Schwarzweiss, geometrische Formen oder scheinbar kindliches Art-brut-Gekrakel. Bezeichnenderweise vergessen aber die jungen Romands nie das oft traditionalistisch anmutende Fabulieren. Pierre Wazem oder Frederik Peeters zum Beispiel sind starke Erzähler und verfügen über eine eigenständige Bildsprache. Der letztes Jahr mit dem Genfer Comic-Preis Prix Töpffer ausgezeichnete Wazem knüpft mit feinem Pinsel- und Federstrich bei gewissen Karikaturisten der Fünfzigerjahre an – besonders in seinen autobiografischen Geschichten. Wazems Strips kommen raffiniert daher. Sie sind oft ganz ohne Handlung und erzählen eigentlich von nichts anderem als den fixen Ideen der Protagonisten. In einer Episode wird ein Autor beispielsweise ein interessantes Manuskript nicht los. Grund: Kein Lektor oder Verleger begreift, was es mit den ständig darin vorkommenden Langusten aufsich hat.
Die Kunst, einfache Dinge interessant zu erzählen, beherrscht auch der völlig anders arbeitende Frederik Peeters. Effektvoll beleuchtet er etwa einen Eifersuchtsmord, indem er allen Beteiligten – Mörder, dessen Frau, Inspektor und so weiter – eine einzelne Seite und damit jeweils eine individuelle Sicht des Falles widmet. Peeters bedient sich einer stilisiert realistischen, schwarzweissen und komplexen Bildsprache.
Einer der wichtigsten Drahtzieher der welschen Comic-Szene ist Christian Humbert-Droz. Seine Firma lebt vom Plakatdruck. Damit finanziert Humbert-Droz sein «Drozophile», das wohl schönste Comic-Magazin der Welt – allein es anzufassen, ist schon ein sinnliches Erlebnis. Die Hefte im A3-Format liegen mit ihren weichen Covern aus Halbkarton angenehm in der Hand. Vom meist in hellem Ocker getönten Papier leuchten Farben wie Orange, Gelb oder Blau aus den Geschichten, die für jedes Heft neu konzipiert werden.

Zeitschriften und Booklets
als Forum für die Talente

Einen «Katalog, der Talente» nennt Humbert-Droz, der in seiner nach Farben und Lösungsmitteln riechenden Siebdruckerei von den Genfer Talenten schwärmt, sein Produkt. Denn neben «Drozophile» gibt der Drucker auch ästhetisch attraktive Booklets der lokalen Zeichnerinnen und Zeichner heraus, etwa das überformatig lange und schmale «Interviews» der figurativ scheinbar kindlich harmlos zeichnenden Nadia Raviscioni. Darin hat sie absurde Strips aus dem Alltag einer Kunstschule versammelt. Ohne Worte kommt schliesslich der sehr eigenwillig arbeitende Helge Reumann aus. Seine Marsmännchen fahren im Bilderbuch «Camions» Lastwagen – durch die Buchseiten und zu Schrott.
Wer immer zu den wichtigen Talenten in der Romandie zählt, war schon auf den grossen Seiten von «Drozophile» vertreten – zum Beispiel auch der mit geschummerten Zeichnungen kinderbuchartig erzählende Tom Tirabosco. Seine schattenschwarzen, über ein dreckbraunes Feld mit Schneeflächen den Ball kickenden Fussballer stehen neben krakeligen Metzgern, und man sieht sogleich: «Drozophile» bietet jeder schrägen Bildergeschichte – und ist sie noch so schräg – eine Plattform.
Dass «Drozophile» ein wichtiges Projekt für die Comic-Szene ist, hat inzwischen auch die Stadt Genf gemerkt, die es neuerdings unterstützt. Überhaupt: Den Genfer Zeichnerinnen und Zeichnern fehlt es nicht an Möglichkeiten, um ihre Geschichten, unterzubringen. Die Gruppe Atrabile gibt zweimal jährlich das Sammelbooklet «Bile Noire» mit strikt schwarzweissen Geschichten heraus. Soeben ist die neue Nummer erschienen. Als Hauptgeschichte befindet sich darin eine abstruse «Conte de Noël» des 30-jährigen Alex Baladi, der übrigens bereits ein Buch im französischen BD-Verlag Delcourt herausgab. Solche Expansionsgelüste sind in der Genfer Szene nicht selten.
Comic-Übervater Töpffer darf durchaus stolz sein auf seinen Nachwuchs aus dem Welschland. Dieser widmete ihm übrigens kürzlich unter dem Motto «Les neveux et nièces de Töpffer» einen ganzen Satz bunter Marken. Die Originale können noch bis zum 20. April in der Genfer Galerie Papiers Gras bewundert werden.

8. Comix-Festival Luzern

Das Luzerner Comix-Festival Fumetto ’99 findet vom 16. bis 25. April statt und wird bereits zum achten Mal durchgeführt. Thema des Festivals, zu dem auch ein Comic-Wettbewerb ausgeschrieben worden war, ist «Wahnsinnig!». Die meisten Veranstaltungen und Ausstellungen finden im ehemaligen und jetzt zum Hotel umfunktionierten Gefängnis «Löwengraben » statt.
Ganz dem Motto des Festivals entsprechen die Irrenhaus-Installation der Genfer Comic-Gruppe B.ü.L.B., eine Schau zum Lebenswerk des Artbrut- Künstlers Hans Schärer, sowie die Ausstellung «Hôpital Brut» der französischen Comic-Gruppe Dernier Cri.
Gast des Festivals und Kurslehrer an der luzerner Hochschule für Gestaltung und Kunst ist dieses Jahr der viel diskutierte Amerikaner Chris Ware. Historische Scherenschnitte und moderne Varianten von Anna Sommer sind im Historischen Museum zu sehen.
Informationen: Fumetto, Postfach, 6000 Luzern 11, Tel 041 240 40 72, Fax 041 2404073.